Digitalisierung im Gesundheitswesen

Maximilian Schneider

Krankenversicherung Status Quo  

Fehlentscheidungen in der Gesundheitsprüfung beim Wechsel oder Abschluss einer Krankenversicherung, können weitreichende Folgen nach sich ziehen. Anhand der Krankheitsvorgeschichte wird das Risiko einer Erkrankung geschätzt und die entsprechende Beitragshöhe kalkuliert, bzw. private Krankenversicherungen können eine Antragsannahme verweigern [1]. Anträge können fälschlicherweise abgelehnt oder akzeptiert werden. Kann automatisierte Datenverarbeitung durch KI gestützte Systeme Entscheidungsgrundlagen vereinfachen, Fehlerquellen reduzieren und alle Beteiligten entlasten?

Informationen aus Dokumenten werden meist manuell verarbeitet. Der steigende Wettbewerb in der Versicherungsbranche sorgt für eine Digitalisierungswelle. Regelbasierte Verfahren wie z. B. OCR und RPA Roboter bieten nur noch kleine Digitalisierungsvorteile bei der automatisierten Datenverarbeitung [2]. Immer häufiger unterstützen lernende Systeme mithilfe von künstlicher Intelligenz den Menschen bei Entscheidungen und der manuellen Datenverarbeitung und Datenextraktion aus Dokumenten wie z. B. Risikovoranfragen zur Berufsunfähigkeitsversicherung. Diverse Anwendungsfälle existieren:

1. KI unterstützt Prävention und Diagnostik

KI kann im Kontext der Prävention und Diagnostik, z. B.  in der Radiologie, angewandt werden, um mithilfe von Mustererkennung frühzeitig Erkrankungen wie Krebs zu identifizieren. Einen ersten Schritt in diese Richtung unternahm das norwegische Universitätskrankenhaus „Ahus“. In Norwegen existieren national vereinbarte Prozesse zur Diagnose und Behandlung von Krebspatienten. Mit dem Ziel, die Effizienz dieser Prozesse und die Qualität der eigenen Arbeit in diesem Kontext zu steigern, veranlasste das Krankenhaus eine Studie. Unter Einsatz von IBM Watson Explorer-Tools wurden die in medizinischen Unterlagen dokumentierten MRT-Befunde von Patienten mit Prostatakrebs analysiert. Mit Hilfe von Machine Learning konnten so unstrukturierte Daten untersucht und in ein quantifizierbares Format gebracht werden. Diese Vorgehensweise ermöglichte dem Krankenhaus eine bessere Organisation der diagnostischen Informationen sowie eine schnellere quantitative Untersuchung der Inhalte. Langfristig können so Krankenhausressourcen optimiert und die Patientenversorgung verbessert werden. Aber auch Therapieentscheidungen werden durch diese Vorgehensweise unterstützt.

2. KI verschafft Pflegebedürftigen mehr Selbständigkeit

Ein weiteres Anwendungsfeld, welches künftig vom KI-Einsatz profitieren könnte, ist die Pflege. Hier können intelligente Geräte, wie z. B. Wearables, die Möglichkeit bieten, trotz Pflegebedarf, möglichst lange selbstbestimmt zu leben. Unternehmen wie z.B. AiServe machen hier einen Anfang, indem sie Blinden und sehbehinderten Menschen helfen, sich unabhängig fortzubewegen. Eine Kombination aus maschinellem Sehen (engl. Computer Vision) und KI ermöglicht dem Wearable, welches an der Brille des Nutzers angebracht wird, Hindernisse zu erkennen und den Nutzer entsprechend per Sprachanweisung zu navigieren.

3. KI-basierter Gesundheitscheck als Dienstleistung der GKV

Die KI ermöglicht nicht nur neue Behandlungsmethoden, sondern hat auch das Potenzial, Verwaltungsprozesse und die Kontaktpunkte zum Kunden beziehungsweise Patienten zu verbessern. Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Gesundheitsversorgung und der Einsatz von KI könnte hier, neben den Angestellten, vor allem den rund 72 Mio. Versicherten zugutekommen.

Die Techniker Krankenkasse macht es vor: Das Portfolio ist seit Ende 2018 um ein digitales Leistungsangebot reicher, denn sie stellt ihren Versicherten ab sofort den KI-basierten Symptomcheck des Berliner Unternehmens „Ada Health“ zur Verfügung. Es handelt sich hierbei um eine chatbasierte Anwendung, in der dem Versicherten Fragen zu seinen Symptomen gestellt werden, mit dem Ziel eine qualifizierte Analyse bereitzustellen. Die gelieferten Gesundheitsinformationen sind verständlich aufbereitet und qualitätsgesichert. Der Nutzer wird über mögliche Ursachen seiner Beschwerden informiert und es werden nächste Schritte, wie z. B. eine Konsultation des Arztes, vorgeschlagen. Darüber hinaus sollen diese Informationen künftig mit Ärzten geteilt und besprochen werden können.  Ein Angebot wie das von Ada spart somit nicht nur Zeit und Ressourcen für Ärzte und Patienten, sondern stärkt obendrein die Patientenmündigkeit. Zudem zeigt die aktuelle „Digital Health“ Studie der Bitkom, dass 42 Prozent aller Internetnutzer sich vor einem Arztbesuch online informieren.

4. Verwaltungsprozesse der GKV KI-gestützt vereinfachen

Auch die internen, verwaltungsorganisatorischen Prozesse von Krankenversicherungen könnten durch den Einsatz von KI profitieren – zum Beispiel im Kontext der Belegprüfung. Im Rahmen der Kostenerstattung von Bonusprogrammen verlangen Krankenkassen vor Erstattung zunächst die Einreichung elektronischer Bildbelege durch den Versicherten. Diese variieren je nach Leistung und werden heute durch zuständige Sachbearbeiter der Kasse manuell geprüft. Dieser Prozess erweist sich als zeitaufwendig und birgt die Gefahr, dass fehlerhafte Dokumente nicht verifiziert oder nicht alle Dokumente geprüft werden.

Ein Verbesserungsvorschlag könnte wie folgt aussehen: Nachdem die Belege elektronisch durch die Versicherten übermittelt wurden, evaluiert ein Algorithmus – basierend auf KI –  alle Dokumente. Die KI erkennt den jeweiligen Dokumententypen, analysiert dessen Inhalt und ordnet es schließlich einer entsprechenden, vordefinierten Gruppe zu. Anschließend durchlaufen nur jene Dokumente eine manuelle Prüfung durch den Sachbearbeiter, die durch das System als auffällig markiert wurden. Ziel dabei ist ein vollautomatisierter intelligenter Prozess, der dem Sachbearbeiter ermöglicht, sich auf spezielle und komplexe Fälle zu konzentrieren. Der Prozess der Belegprüfung würde dadurch beschleunigt und schnellere Rückmeldungen möglich werden. Somit bliebe wieder mehr Zeit für den Austausch mit den Versicherten.

5. BU-Risikovoranfrage: Automatische Gesundheitsprüfung bei PKV, GKV und BKK

KI kann und soll menschlich-kognitive Prozesse nicht vollständig ersetzen. Aber KI kann den Menschen unterstützen und entlasten. Künstlich intelligente Systeme erleichtern dem Sachbearbeiter die Prüfung kritischer Fälle. Dadurch ermöglicht KI die exakte Bewertung und individuelle Gesundheitsprüfung.

Hierfür gibt es bereits Lösungsmodelle: Intelligente Algorithmen, welche Deep Learning-basierte Bildverarbeitung und Natural Language Processing kombinieren [5]. Sie verstehen sich darauf, nicht nur unstrukturierte Informationen zu strukturieren, sondern auch Inhalte von Texten zu verstehen und logisch zu verknüpfen. Anhand antrainierter Datensätze lernen die kognitiven Systeme und die KI verbessert sich kontinuierlich weiter. 

Am Beispiel der BU-Risikovoranfrage lässt sich das Problem verdeutlichen: Anhand automatisch verarbeiteter Daten können in Risikovoranfragen Personen die Vorerkrankungen leichter identifiziert werden. KI ermöglicht in der Krankenversicherung das Vorfiltern von Erkrankungen, die zu einem Ausschluss führen könnten. Besitzt der BU-Anwärter ein “Asthmaspray”, wird davon ausgegangen, dass er zur Risikogruppe “Asthma” gehört. Hat dieser Patient das Spray allerdings nur für Notfälle und nutzt es nicht regelmäßig, würde es trotzdem zu einem Ausschluss aus der BU-Versicherungen kommen, obwohl der Patient nicht eindeutig einer Risikogruppe angehört. Allgemein werden in Deutschland bis zu 25% aller Risikovoranfragen mit Vorerkrankungen entweder abgelehnt oder nur bedingt durch Auschlüsse und Zuschläge akzeptiert [3]. Circa 75% aller BU-Anfragen mit Vorerkrankungen werden ohne Erschwernis angenommen. KI kann diese Informationen aus der BU-Anfrage erkennen und die relevanten Informationen für die weitere Prüfung durch den Menschen strukturieren.

Illustration der Annahmequote bei BU Anfragen
Illustration der Annahmequote bei BU Anfragen

Aber nicht nur BU-Risikovoranfragen können durch die KI von Krankenversicherungen verarbeitet werden. Personenbezogene Daten, Krankheitsverläufe, Krankenhaus- und Arztrechnungen lassen sich durch KI und ohne menschlichen Arbeitsaufwand schnell analysieren und für die menschliche Weiterverarbeitung aufbereiten. Nachbearbeitungszeiten und Fehler werden verringert und allen Beteiligten viel Zeit, Geld und Aufwand erspart. Komponenten der BU-Kompetenz definieren sich zu 30% aus dem Workflow-Management, der Standardisierung von Prozesse, aus Anschreiben und Fragebögen [4]. 

Kuchendiagramm Annahme bei Vorerkrankung bei der BU Versicherung
Berufsunfähigkeit Annahmequote bei Vorerkrankungen

KI bietet Chancen bei der Gesundheitsprüfung. Dank künstlich intelligenter und automatisierter Prozesse hilft die KI, individuelle Risiken zu identifizieren und die gewonnenen Vorerkrankungen aus den BU-Anfragen nach den unkritischen 75% und den kritischen 25% zu sortieren. Dies erleichtert anschließend die manuelle Weiterverarbeitung der kritischen 25% durch den Menschen. Schlussendlich können Entscheidungen auf belastbaren Informationen leichter getroffen, Prozesse beschleunigt und Prozessabweichungen bei der Risikobeurteilung reduziert werden.

Fazit für Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen

Künstliche Intelligenz bietet einige vielversprechende Chancen im Rahmen von Verwaltung und Patientenversorgung. Richtig angewandt, könnten langfristig alle Akteure des Gesundheitswesens profitieren. Gerade die GKV sollte sich daher mit dem Thema intensiv beschäftigen und die notwendige Expertise beschaffen. Aufgrund ihrer Verantwortung für über 70 Millionen Versicherte liegen hier – neben Diagnostik und Behandlung – die größten Potenziale für einen vielversprechenden Einsatz von KI im Gesundheitssektor.

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QUELLEN

[1] Wissen-PKV.de (Juni 2020): Welche Gesundheitsfragen muss man bei Beantragung einer privaten Krankenversicherung beantworten?

[2] McKinsey & Company (Juni 2017): Künstliche Intelligenz in der Krankenversicherung: Smarte Rechnungsprüfung mit selbstlernender Software. S.2.

[3] MORGEN & MORGEN Pressemitteilung (Mai 2018): M&M Rating Berufsunfähigkeit: Thema Psyche gewinnt weiter an Bedeutung. S.4.

[4] Morgen & Morgen BU-Rating (Mai 2020): Ausgezeichnetes Abschneiden der NLV: Marktmanagement Leben Privat. S.7.

[5] AOK (Dezember 2018): Wissenschaftlicher Beirat für Digitale Transformation: Anmerkungen zu einer KI-Strategie für eine gesetzliche Krankenkasse. S.5

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb.1: Pexels – Schreibmaschine, nach: Andrea Piacquadio, Stand: 02/2020

Abb.2: Berufsunfähigkeit – Annahme bei Vorerkrankungen, nach: Morgen & Morgen, Stand: 05/2018

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