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KI in Versicherungen: OCR KI im Input Management | Update 2023

Florian Zyprian

KI-getriebenes Input Management durch OCR und NLP

In Versicherungen ist es längst nichts neues Prozesse über Input Management Systeme zu digitalisieren. Diese Systeme übernehmen eine Verarbeitung des Posteingangs bis zur Archivierung. Das vorrangige Ziel ist es, Daten strukturiert aufzubereiten, die dann an Folgesysteme, wie z.B. ein ERP-System, weitergegeben werden. Jedoch sind diese Tools oftmals in die Jahre gekommen und sehr kostspielig. Eine Erweiterung des Input Managements durch die Kombination verschiedener Lösungen Künstlicher Intelligenz (KI) wie automatische Texterkennung (OCR) und Textverarbeitung (NLP) wird heutzutage bereits für 62 % der Kundeninteraktionen in Versicherungsunternehmen eingesetzt [1]. Die intelligente OCR nutzt Verschlagwortung und Extraktion von Textfeldern oder ganzen Textabschnitten in Dokumenten oder E-Mails und steigert die Genauigkeit von regelbasierten Ansätzen um 6 % auf 93 %. Zudem sparen Versicherungen Zeit, indem sie intelligente Automatisierungslösungen wie z.B. Hyperautomation einsetzen.

Wie funktioniert AI OCR?

Automatisierte Dokumentenverarbeitung mit OCR-Technologien

OCR AI

Abbildung 1. Automatisierte Dokumentenverarbeitung mit OCR-Technologien

Der Ablauf einer automatisierten Dokumentenverarbeitung mit OCR ist in Abbildung 1 dargestellt. Im Allgemeinen folgen sie alle der gleichen Struktur:

  1. Input

    Der Dateninput (das Dokument) wird aus einer Datenbank entnommen, von einem der Front-End-Systeme wie einem Robotic Process Automated Bot, einer E-Mail oder anderen. Weitere Low-Code und No-Code Anbieter finden Sie in unserem folgenden Beitrag.

  2. Vorverarbeitung

    Die Dateien werden vorverarbeitet, um unabhängig von dem Dateityp, der Qualität des Scans und der Anzahl der Seiten verarbeitet zu werden.

  3. intelligentes Erkennen

    Die neural-basierte Technologie zur automatischen Dokumentenklassifizierung ermöglicht die Sortierung von Dokumenten nach Typen (z. B. Führerschein, Kontoauszug, Steuerformular, Vertrag, Rechnung) und benutzerdefinierten Unterkategorien (z. B. Rechnungen von Lieferant A, Rechnungen von Lieferant B) durch Identifizierung von Textinhalten und Bildmustern.

  4. Zuweisung und Kategorisierung

    Die neuronale Maschine zur Klassifizierung definiert einen Dokumententyp und wählt eine korrekte Dokumentendefinition für die weitere inhaltliche Verarbeitung aus.

  5. Fachdatenextraktion

    Nach der Erkennung bestimmter Felder wird der strukturierte oder halbstrukturierte Text aus dem Dokument extrahiert und in das Zielsystem exportiert.

Falls gewünscht oder erforderlich, ermöglicht die KI-OCR eine menschliche Überprüfung, die durch die Festlegung eines Schwellenwerts für das Vertrauensniveau erfolgt. Dieses menschliche Feedback hilft der KI kontinuierlich zu lernen. Das menschliche Feedback, auch Human-in-the-Loop genannt kann flexible und individuell über die Document Validation UI in jeden Prozess eingebaut werden. Wenn ein festgelegter Schwellenwert nicht erreicht wird, erfolgt eine manuelle Überprüfung, bevor die Daten in das Zielsystem exportiert werden. Die endgültige Ausgabe dieses Prozesses kann eine XML-, JSON-, CSV-, XLSX/XLS-, TXT- oder HOCR-Datei sein.

Umfang der Funktionen von Input Management

1. Briefpost

Die eingehende Briefpost wird von den entsprechenden Postlogistikern entgegengenommen.

2. Briefsortierung

Die entgegen genommen Briefe werden sortiert nach den Gesichtspunkten „öffnen“ oder „nicht öffnen“.

3. Brieföffnung

Die mit „öffnen“ klassifizierten Briefe werden geöffnet. Hierfür werden in der Regel Brieföffnungstechnologien verwendet.

4. Feinsortierung

Im Bereich Feinsortierung werden alle Sortier- und Vorbereitungstätigkeiten für das spätere Digitalisieren der Briefpost subsummiert. Dazu gehören das Sortieren nach z.B. Sonderformaten, Mandanten, Prozesstypen und Prozessuntertypen aber auch die Scannaufbereitung: Entklammern, Aufbereitung von einzelnen Seiten, Glätten, Einfügen von Trennblättern bzw. Aufbringen von Barcodes zur Vorgangs-/Dokumententrennung.

5. Scanning

Beim Scanning werden die analogen papierbasierten Dokumente mit Hilfe von MFPs, Tisch- oder Produktionsscannern in digitale Dateiformate gewandelt.

6. Mobil-Scanning

Mit mobilen Apps können papierbasierte Dokumente vom Kunden oder Partner direkt in das Input Management eingescannt werden.

7. Faximport

Beim Faximport werden die Faxe direkt vom Faxserver übernommen. Zusätzlich findet noch eine Bildverbesserung z.B. im Bereich Stauchung und Skalierung statt.

8. E-Mail-Import

Über den E-Mail-Import können elektronische Dateien aus E-Mail-Systemen (Exchange, Lotus Notes) in das Input Management importiert werden.

9. E-Mail Vorbereitung

E-Mails werden so konvertiert, dass in den nachfolgenden Prozessschritten der E-Mail-Body und die E-Mail-Anhänge separat analysiert werden können. Häufig ist dazu auch eine Konvertierung der E-Mail-Anhänge in ein maschinenlesbares Format notwendig.

10. OCR, OMR, OBR

Optical Character Recognition (OCR) ist eine Methode zur Umwandlung von Texten, die nicht in Form von maschinenlesbaren Zeichen, sondern im Bildformat vorliegen, in eine kodierte, vom Rechner verarbeitbare Zeichenfolge (kodierte Information). Zusätzlich können mittels der Optical Mark Recognition (OMR) Markierungen (z.B. Ankreuzfelder) und mit der Optical Barcode Recognition (OBR) Barcodes und Datamatrix-Codes erkannt werden.

11. Web-/Portal-/File-Import

Über den Web-/Portal-Import können elektronische Dateien aus Internetseiten bzw. Internetportalen in das Input Management importiert werden. Über den File-Import können elektronische Dateien aus dem Dateisystem in das Input Management importiert werden.

12. Sprachnachrichten

Sprachnachrichten werden beispielsweise von einer Telefonanlage in das Input Management importiert.

13. Voice to Text

Mit Voice to Text werden gesprochenen Worte in verarbeitbare Zeichenfolgen konvertiert.

14. Klassifikation

Maschinelle Zuordnung eines Dokumenttypss bzw. einer Dokumentklasse zu einem gescannten Dokument.

15. Extraktion

Maschinelles Auslesen von Dokumentfeldern von gescannten Dokumenten.

16. Plausibilisierung

Fehlertolerante Überprüfung der via Extraktion erfassten Dokumentfeldern anhand von Referenzdatenbanken.

17. Datenanreicherung

Anreicherung der extrahierten Dokumentfeldern anhand von Referenzdatenbanken.

18. Manuelle Korrektur

Im Klassifikation und Extraktion nicht erkannte Dokumenttypen oder Dokumentfelder werden manuell nachbearbeitet und die Daten vervollständigt.

19. Sonderbearbeitung & 1st Level

Fehlende zur Weiterverarbeitung notwendige Daten werden durch Rückfragen manuell beschafft. Von 1st Level-Bearbeitung, Breitenbearbeitung oder Einfachsachbearbeitung spricht man, wenn einfache Geschäftsvorfälle fallabschließend bearbeitet werden. Z.B. fällt die Bearbeitung einer Rücksendung, inkl. der notwendigen Adressermittlung in diesen Bereich.

20. Übergabe elektronische Postkorb

Metadaten und das Dokument werden an den elektronischen Postkorb zur weiteren Vorgangsbearbeitung gegeben.

21. Übergabe elektronisches Archiv

Metadaten und das Dokument werden an das elektronische Archiv zur revisionssicheren Archivierung übergeben.

22. E-Mail Response Management

Metadaten, das Dokument und die E-Mail im Originalformat werden an ein System zur automatisierten E-Mail-Beantwortung übergeben. Durch den Einsatz von E-Mail Response Management können eingehende E-Mails effizienter bearbeitet und beantwortet werden, wodurch die Kommunikation mit Kunden und Partnern optimiert wird.

Prozessautomatisierung mit Hyperautomation in der Versicherung

Im Hinblick auf die Pandemie und die daraus resultierende Wirtschaftskrise wird es immer wichtiger, Prozesse in Versicherungen zu optimieren und zu stabilisieren. Durch die Weiterentwicklung von Automatisierungstechnologien wie OCR, RPA (Robotic Process Automation) und KI ergeben sich wirtschaftlich und technologisch fortschrittliche Lösungen zur Prozessautomatisierung – die Hyperautomation. Das Ziel von zahlreichen Unternehmen ist es, die Servicequalität zu erhöhen oder Umsätze zu steigern und bestehende Prozesse noch robuster für die digitale Zukunft des Unternehmens zu gestalten. Durch den Einsatz von Hyperautomation wird eine Automatisierung von Prozessen über regelbasierte Standardanwendungen hinaus ermöglicht.

Automatische Betrugserkennung durch KI in Versicherungen

Die Versicherungsbranche hat zunehmend mit Betrugsfällen zu kämpfen, die jährlich Schäden in Milliardenhöhe verursachen. Laut des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft gehen 10 % der in Deutschland ausgezahlten Schadenleistungen auf die Konten von Betrügern [2]. Um die Betrugsversuche besser zu erkennen, bedarf es technischer Lösungen, die sich stets auf neue Gegebenheiten und Betrugsmuster anpassen können und über regelbasierte Ansätze des Input Managements hinaus gehen. Denn die Fehlerquote ist dort hoch und es wird zusätzlicher manueller Aufwand benötigt. Durch KI und OCR können Schadensmeldungen auf auffällige Inhaltsmuster geprüft werden und Anomalien automatisch erkannt. Mit dem Einsatz von KI konnte bei einer durchschnittlichen Schadenssumme von ca. 3.000 € und der Erkennung von 1.029 Betrugsfällen ein Einsparpotential von über 3,1 Mio. € in einem Versicherungsunternehmen erreicht werden. 

KI in Versicherungen individualisiert die Kundenansprache

Individualisierung und Personalisierung gehören zu den Megatrends der 2020er-Jahre. Standardlösungen begeistern den Kunden wenig und die Ansprüche an eine individuelle Kundenansprache steigen. Versicherungen können diese Entwicklung als große Chance für Cross- und Up-selling nutzen, indem sie eine KI-basierte Lösung als Unterstützung einsetzen. Auf Basis von Kundeninformationen lassen sich individuelle E-Mails automatisch generieren und die Qualität der Kommunikation nachhaltig erhöhen. Dabei lassen sich automatisch generierte Texte nicht mehr von händisch erstellten Texten unterscheiden und die Antwortquote von ca. 1,5 % auf bis zu 35 % steigern. Die KI-Anwendung lässt ein automatisches Lernen durch neue Eingaben zu, schließt Wissenslücken und stellt selbstständig neue Verbindungen her. Vortrainierte Sprachmodelle wie z.B. GPT-3 sind leistungsstarke Textgeneratoren, die eigenständig zusammenhängende Texte schreiben und für eine erfolgreiche Kundenansprache genutzt werden [3]. 

Durch KI in Versicherungen Dokumente besser verstehen

Die Übertragung von Versicherungsunterlagen zwischen Versicherungen, Maklern und weiteren Partnern ist zwar durch die BiPRO Norm 430 weitgehend standardisiert, jedoch nicht automatisiert [4]. KI verarbeitet Daten in Millionen von Dokumenten und hilft MitarbeiterInnen dabei, Cross-Selling Potenzial in Kundenportfolios zu finden und Geld bei der Vertragsverhandlung und im Input Management zu sparen. Durch den Einsatz von KI können Inhalte in Dokumenten strukturiert abgerufen werden. Arbeitsschritte wie Abtippen, Umbenennen, Ablegen und Validieren entfallen fast vollständig. Dadurch wird es ermöglicht, diese Dokumente rein digital zu verarbeiten, mit bekannten Stammdaten anzureichern und über Systeme hinweg zu harmonisieren. KI Software lernt dabei 24-mal so schnell wie ein Mensch Informationen aus Dokumenten zu verstehen und zu strukturieren. So profitieren Versicherungen von einer schnelleren und effizienteren Verarbeitung von ihren Unterlagen.

Quellen

[1] Capgemini Research Institute (2020). Smart Money.

[2] Friedrich, S. (2018). Du Lügst! im Magazin Positionen des GDV, Ausgabe 3/2018, Seiten 24–26.

[3] Tan, B., Yang, Z., AI-Shedivat, M., Xing, E. P., & Hu, Z. (2020). Progressive Generation of Long Text. 

[4] BiPRO e.V. (2021). Norm 430. 

Foto von Adrianna Calvo

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